Er spritzte ihr starke
Drogen diesmal, und Entzündungshemmer, und stark dosierte Ausschwemmer. Kaum
dass der Inhalt der Spritzen im Pferd war, musste Caillean auch schon Wasser lassen.
Es war kläglich, wie sie immer wieder versuchte aufzustehen, um dann letztendlich
doch im Liegen zu urinieren. Dennoch, die Augen schauten schon anders. Jens sagte
dann, dass sie mit diesen Mitteln innerhalb der nächsten 24 Stunden aufstehen
müsste, dann wäre noch Hoffnung. Ich sollte nicht vergessen, Caillean
zu wenden. 2 Stunden später war ich allein mit meinem Pferd, ich hatte ihr
Heu gebracht und Wasser, hatte ihr eine Decke übergelegt, weil es auch noch
anfing zu regnen. Eine weitere Stunde verging und ich stand auf, um einen neuen
Eimer Wasser zu holen. Als ich mich umdrehte, hielt mich etwas zurück. Caillean
schnaubte und schüttelte sich, sie strampelte sich die Decke runter und stand
auf. Ich heulte Rotz und Wasser, mein Pferd zitterte am ganzen Leib, aber sie
stand. Für die 50 Meter zum Stall brauchten wir eine weitere Stunde. Auf
dem Weg zu ihrer Box fiel sie noch zweimal hin, aber sie stand wieder auf. Ach,
was war das für ein tapferes Pferd. Ich wusste, dass sie das nur tat, weil
sie mich glücklich sehen wollte.
Ich liess Caillean für die nächsten Tage im Stall, holte sie nur raus,
um mit ihr Schritt-Training zu machen. Nachts, während der Fohlenwache, war
ich ständig damit beschäftigt, sie mit schrecklichen Medikamenten, die
fürchterlich brannten, einzureiben und ihr Rotlicht zu geben. Alles, aber
auch alles liess sie unerschrocken über sich ergehen. Ständig fiel sie
nachts hin und ich brauchte manchmal Stunden, bis ich sie wieder aufgerichtet
bekam. Catherin maulte in dieser Zeit ständig über die Boxenwand hinweg.
Eigentlich war ich doch ihretwegen im Stall. Was sollte nur dieses ganze Getue
um Caillean?
Die schreckliche Gewissheit um eine unumgängliche Entscheidung
Es kam, was kommen musste. In der Nacht vom 07. auf den 08. Mai fiel Caillean
um in ihrer Box und konnte nicht mehr aufstehen. Irgendwann konnte sie sich nicht
mal mehr auf ihre Brust rollen, sondern lag ganz ausgestreckt da. Immer wieder
versuchte sie, sich zumindest aufzurichten, aber sie schaffte es nicht mehr. Sie
lag fest. In dieser Nacht maulte Catherin nicht. Sie stand nur ganz still an der
Boxenwand und schaute zu Caillean und mir herüber. Ihr Blick hatte so einen
sehr merkwürdigen Ausdruck - es war wie die Gewissheit um etwas, was ich
die ganze Zeit nicht wahrhaben wollte. Ich wusste nun, dass eine schwere Entscheidung
zu treffen war und dass diese Entscheidung unumgänglich war. Bis in den frühen
Morgen blieb ich noch im Stall, unterhielt mich mit Caillean, streichelte sie,
rollte sie auf die Brust und hielt sie, damit sie trinken konnte; ihr Heu frass
sie lang ausgestreckt.
Am Vormittag des 08. Mai rief ich Jens an. Es musste nun ein Ende gesetzt werden,
damit Caillean die Würde blieb. Vorab musste ich klären, wann der Abdecker
kommen würde, denn der Folgetag war Himmelfahrt, danach blieb nur der Freitag,
dann das Wochenende. Eine Abholzusage für Freitag wurde erteilt. Das Wetter
war diesig. Caillean erwartete Jens und mich ruhig in ihrer Box. Sie lag ganz
still als sie die erste Spritze bekam.
Unablässig streichelte ich sie und sprach mit ihr. Nichts auf der Welt hätte
mich jetzt von ihr weggebracht. Jens setzte nun eine Braunüle und verabreichte
Caillean das letzte Medikament. Ein Zittern ging durch den Pferdekörper,
dann stärkere Atemzüge. Dann ein ganz tiefer Atemzug, dann Stille, unendliche
Stille. Caillean hatte mich nun für immer verlassen.
Am nächsten Tag stellte ich ein Bild von Caillean und einen Strauss Blumen
vor ihre Box. Es wäre Cailleans zweiter Geburtstag gewesen.
Im Laufe des Tages wurden noch mehr Blumen dort abgelegt und auch die älteren
Kinder aus dem Dorf kamen und trauerten.
Wir alle nahmen Abschied von einer lieben und liebenswerten Freundin, von der
wir uns gewünscht hätten, dass sie uns noch viele Jahre fröhlich
begleitet. Keines der von ihr vorhandenen Bilder wird ihr gerecht und so bleibt
nur die Erinnerung an ein liebes Wesen, das seinen ganz eigenen Platz in meinem
Herzen immer haben wird.

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